Eine filmische Liebeserklärung an den schönsten Eishockey der Welt
Passend zur aktuell laufenden Eishockey-Weltmeisterschaft hat mich ein Dokumentarfilm wieder eingeholt, der nicht nur Sportgeschichte schreibt, sondern mich auch persönlich berührt hat. Ich bin mit Eishockey aufgewachsen – nicht auf dem Eis, aber vor dem Fernseher. In meiner Kindheit und Jugend gehörten Namen wie Krutow, Larionow, Makarow und natürlich Slawa Fetissow zum festen Inventar des Sportfernsehens. Die sowjetische Nationalmannschaft – die „Sbornaja“ – war so etwas wie ein Mythos. Nicht zu schlagen, technisch brillant, taktisch überlegen. Und gleichzeitig: schwer greifbar. Ein System, das man im Westen zwar bewunderte, aber kaum verstand.
Was mir damals als Kind wie Magie vorkam – diese unnachahmliche Leichtigkeit auf dem Eis – entpuppt sich in „Red Army – Legenden auf dem Eis“ als das Resultat knallharten Trainings, politischer Kontrolle und tiefer Loyalitätskonflikte. Der Film hat mich gepackt. Und ich kann ihn allen empfehlen, die nicht nur Sport schauen – sondern ihn verstehen wollen. Oder zumindest: besser fühlen.
Vom Drill zur Dominanz
Zwischen 1954 und 1991 war die sowjetische Eishockeynationalmannschaft nahezu unbesiegbar. 22 Weltmeistertitel. Sieben olympische Medaillen, darunter zahlreiche in Gold. Auf dem Eis: Präzision, Eleganz, Geschwindigkeit – choreografiert wie ein Ballett, gespielt wie ein Krieg. Im Zentrum: die legendäre „KLM-Reihe“ mit Krutow, Larionow und Makarow. Und der Fels in der Defensive: Wjatscheslaw „Slawa“ Fetissow, der Mann, um den sich dieser Film dreht.
Doch was für westliche Zuschauer wie pure Magie aussah, war in Wahrheit das Produkt eines erbarmungslosen Systems. Trainer Anatoli Tarassow – oft als „Vater des sowjetischen Eishockeys“ bezeichnet – setzte auf Disziplin, Kreativität und kollektive Intelligenz. Unter seinem Nachfolger Wiktor Tichonow wurden die Spieler dann regelrecht kaserniert. Elf Monate im Jahr lebten sie abgeschottet von ihren Familien, kontrolliert, überwacht, trainiert. Der Preis für Perfektion war hoch.
Wenn Schönheit zur Waffe wird
„Red Army“ zeigt mit beeindruckendem Archivmaterial und offenen Interviews, wie diese Mannschaft zu einer der elegantesten Formationen wurde, die je ein Eisstadion betreten hat. Das Spielsystem? Ein endlos fließender Strom aus Pässen, Täuschungen, Bewegungen. Kein Dump-and-Chase, kein Kampf an der Bande – sondern Raumkontrolle und Strategie. Fast wie Schach auf Kufen.
Regisseur Gabe Polsky, Sohn russischer Emigranten, gelingt es, die Ästhetik dieses Spiels visuell und emotional einzufangen. Man sieht nicht einfach Eishockey – man spürt es. Man erkennt: Hier war das Spiel mehr als nur Sport. Es war Kunst. Eine Waffe im Kalten Krieg. Und für viele Spieler: ein goldenes Gefängnis.
Die große Flucht
Was „Red Army“ so besonders macht, ist die menschliche Tiefe. Die Interviews mit Slawa Fetissow sind keine heroischen Rückblicke, sondern rau und ehrlich. Fetissow war einer der ersten, der sich offen gegen das System auflehnte. Er wollte in die NHL – nicht nur des Geldes wegen, sondern um als freier Mensch zu spielen. Der Preis: Hausarrest, Karriereknick, Diffamierung. Am Ende aber triumphierte die individuelle Freiheit – und Fetissow wurde sogar Sportminister im neuen Russland.
Der Film zeigt auch die Schattenseiten dieses Wandels. Viele Spieler, die in den Westen gingen, verloren ihre Identität. Andere, die blieben, sahen ihre goldene Zeit in der Bedeutungslosigkeit versinken. Und doch bleibt am Ende dieser Dokumentation das, was bleibt: die Erinnerung an eine Mannschaft, die das Spiel neu definierte.
Für Fans. Für Zweifler. Für Neugierige.
„Red Army – Legenden auf dem Eis“ ist ein Film für alle, die Eishockey lieben – und für jene, die nie verstanden haben, was daran so besonders sein soll. Denn dieser Film zeigt: Es geht nicht nur um Tore und Checks. Es geht um Hingabe, Systemkritik, politische Instrumentalisierung – und vor allem: um die Liebe zu einem Spiel, das schöner kaum gespielt werden konnte.
Wer glaubt, schon alles über den Kalten Krieg zu wissen, wird hier eines Besseren belehrt. Und wer denkt, Eishockey sei bloß ein rauer Männersport, wird berührt sein von der Poesie, die dieser Film entfaltet.
Fazit
„Red Army“ ist nicht nur ein Film. Es ist ein Denkmal – für das Spiel, für seine Helden und für eine Zeit, die so nie wiederkehren wird.
Aber vielleicht – für einen Moment – auf dem Eis weiterlebt.
Der Dokumentarfilm ist über mehrere (Streaming-)Plattformen verfügbar – unter anderem bei Apple TV oder Amazon prime video.
(Bildquelle: © randulin, generiert mit KI)