Mit 50 oder 51 (wie in meinem Fall) beginnt offenbar eine neue Epoche. Nicht der Midlife-Crisis. Auch nicht der zweiten Pubertät. Nein – ich spreche vom Zeitalter des „…noch?“
Ein kleines Wörtchen. Vier Buchstaben. Und doch die wohl subtilste Form des Zweifelns seit Erfindung der Stirnrunzeln.
„Spielst du noch Fußball?“
„Seid ihr noch zusammen?“
„Arbeitest du noch oder genießt du schon die Rente?“
„Leben deine Eltern noch?“
„Gehst du noch weg oder ist Netflix jetzt dein aufregendstes Abendprogramm?“
Was früher einfache Fragen waren, sind heute Diagnoseversuche auf freundlichem Smalltalk-Niveau.
Man könnte meinen, „noch“ ist die neue Altersprüfung für Fortgeschrittene.
Früher hieß es:
„Cool, dass du Fußball spielst!“
Heute:
„Was? Du spielst noch Fußball? Mit echten Menschen? Und ohne Zerrung?“
Oder beim Thema Beziehung:
„Ach, ihr seid noch zusammen? Stark. In dem Alter ist das ja eher… selten.“
Vielen Dank auch. Ich wusste gar nicht, dass Liebe ein Ablaufdatum hat. Offenbar zwischen Zahnzusatzversicherung und Cholesterinwert.
Und die Klassiker auf Familienfeiern:
„Wie geht’s deinen Eltern? Leben die noch?“
Das klingt wie ein Reality-Check mit angezogener Handbremse.
Natürlich meine ich das nicht böse – dieses noch ist ja oft gut gemeint. Es hat etwas liebevoll-prüfendes. So wie ein Blick in den Kühlschrank beim Mindesthaltbarkeitsdatum:
Noch gut? Noch verwendbar? Oder schon kritisch?
Aber: Man beginnt, die Welt neu zu lesen. Die Fragen klingen harmlos – aber sie riechen nach Vergänglichkeit.
Nach Bilanz. Nach „Wie lange wohl noch?“.
Und das lässt einen nicht kalt.
Oder – um es in der Sprache der 50+ Generation zu sagen:
„Das geht einem schon ein bissl rein.“
Doch ich sage dann halt:
Ja, ich spiele noch Fußball – auch wenn die Knie knarzen wie Dielenbretter im Altbau.
Ja, ich arbeite noch – aber nur, wenn’s Kaffee gibt.
Und vielleicht, ganz vielleicht, sollten wir das noch feiern – als Zeichen des Dranbleibens.
Des Trotzdem.
Des Ja-sogar-und-jetzt-erst-recht.
Denn solange jemand fragt, ob man noch lebt, liebt, lacht oder läuft –
lebt, liebt, lacht oder läuft man eben noch.
Und das ist doch was.
Oder noch nicht?
(Bildquelle: © randulin, generiert mit KI)