Das Monster Herta Oberheuser

11. Mai 2025

von Nic Niggli

Während des Dritten Reichs waren Ärzte die zentralen Akteure der von den Nazis propagierten „Rassenhygiene“. Viele von ihnen halfen eifrig mit, wenn es darum ging, den „deutschen Volkskörper“ von „unwertem Blut“ zu säubern. Was mit Massensterilisationen erst begann, wurde später mit gezielten Tötungen von Erwachsenen und Kindern fortgeführt. Dabei spielten die sogenannten „Kinderabteilungen“ von Irrenanstalten und Spitälern eine zentrale Rolle: Man liess die Kinder entweder verhungern oder spritzte ihnen gezielt eine Überdosis Medikamente.

Was bisher immer noch weniger bekannt ist: Diese Gräueltaten waren keine reine Männersache, auch zahlreiche Ärztinnen und Pflegerinnen machten mit. Dabei wurden sie von unterschiedlichen Motiven zu ihren Taten angetrieben. Da gab es diejenigen, die sich aus finanziellen Gründen einbinden ließen oder die blossen Befehlsempfängerinnen. Doch zahlreiche Frauen waren enthusiastische Anhängerinnen der Naziideologie. Auch sie glaubten tatsächlich, dass man mit diesem Vorgehen den Genpool des deutschen Volkes reinigen sollte.

„Den Teufel gibt es nicht – aber Monster wie Herta Oberheuser“

Die Ärztin Herta Oberheuser war so ein Monster. Zwar wurden Frauen der Zutritt zur SS verwehrt (und somit konnten sie keine leitenden Positionen in KZ einnehmen), doch schaffte es Herta Oberheuser zur Lagerärztin im Konzentrationslager Ravensbrück – ihre Mission und unbestritten auch Passion: Grausame Menschenversuche durchführen.

So fügte sie den Opfern Wunden zu, wie sie beispielsweise durch Bombensplitter entstehen, um danach diese Wunden mit Holzsplitter oder Glas zu versehen, mit Bakterien und andere Erreger. Danach wurden Wundverlauf und die Wirkung der Sulfonamide (Antibiotika) beobachtet. Es versteht sich von selbst, dass bereits viele Opfer noch während der Experimente ihr Leben gelassen haben. Andere starben danach und noch Überlebende trugen schreckliche Schäden (physisch wie psychisch) davon, an denen sie Jahre später starben.

Der Nürnberger Ärzteprozess

Dieser Prozess war der Erste der zwölf Nürnberger Nachfolgeprozesse gegen Verantwortliche des Deutschen Reichs anderthalb Jahre nach Kriegsende. Er fand vom 9. Dezember 1946 bis zum 20. August 1947 im Nürnberger Justizpalast vor einem amerikanischen Militärgericht statt. Angeklagt waren 23 Personen, davon 20 KZ-Ärzte – und eine einzige Ärztin: Herta Oberheuser (siehe Bild). Sieben wurden zum Tode verurteilt, fünf zu lebenslangen Haftstrafen und vier zu Haftstrafen zwischen 10 und 20 Jahren. Auch sieben Angeklagte wurden freigesprochen. Herta Oberheuser wurde zu 20 Jahren Gefängnis verurteile. Doch schon nach fünf Jahren wurde sie vorzeitig aus der Haft entlassen – angeblich wegen guter Führung.

Unverständlich für mich bis heute: Auch Oberheuser durfte später wieder (1950-Jahren) als Ärztin praktizieren. Auch zahlreiche andere Nazi-Ärzte und Ärztinnen wurden nur milde oder gar nicht bestraft. Viele von ihnen führten ein normales, bürgerliches Leben mit Ehe, Kindern und Arbeit mit eigener Privatpraxis einfach weiter. Zwar gab es immer wieder Anstrengungen, all diese Krankenmorde juristisch aufzuarbeiten, doch das Interesse verschwand und man ließ das Ganze einfach versanden. So erstaunt es auch nicht, dass einige Medizinerinnen und Mediziner später sogar Karriere an Universitäten machten oder erhielten Auszeichnungen und Ehrentitel.


(Bildquelle: © United States Holocaust Memorial Museum)