1. August – die Schweiz macht Bumm

Ach, der 1. August. Für manche ist es der Tag, an dem sich die Schweiz in ein Lichtermeer aus Wunderkerzen, Höhenfeuern und Grillwürsten verwandelt. Für andere ist es einfach nur ein willkommener Anlass, sich am Vorabend kollektiv die Trommelfelle zu zersprengen – ganz ohne Krieg, aber mit ordentlich Knallerei. Doch warum feiern die Eidgenossen ausgerechnet an diesem Tag ihre Entstehung? Und was wird da eigentlich genau gefeiert – außer dem eigenen Hang zur Pünktlichkeit und zur Neutralität?

Ein Rückblick ins Jahr 1291 (vermutlich, möglicherweise, irgendwie)

Laut offizieller Version – und da verlassen wir für einen Moment den Humor und betreten das Reich der „es könnte so gewesen sein“-Historie – schlossen am 1. August 1291 die drei Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden auf der Rütliwiese einen Schwur. Einen Bund zur gegenseitigen Hilfe, zur Freiheit von fremden Vögten und zum gelegentlichen Fondue-Essen. Dass das Datum auf den 1. August fällt, ist allerdings weniger historisch belegt als vielmehr politisch-praktisch: Im 19. Jahrhundert brauchte man einen Gründungsmythos – und voilà, 1891 (praktischerweise 600 Jahre später) einigte man sich auf den 1. August. Denn Sommer, Ferienzeit, gutes Wetter – man ist ja nicht blöd.

Die Feierlichkeiten – wenn Neutralität Funken schlägt

Wie feiert man in der Schweiz also diesen heroischen Tag der semi-historischen Selbstfindung? Richtig: mit Cervelats, Höhenfeuern und dem stolzen Hissen einer Fahne, die aussieht, als hätte man aus Versehen eine Applikation auf einem Erste-Hilfe-Kasten herausgerissen.

In Städten ist es meist eine Mischung aus Bratwurst-Romantik und Reden von Politiker:innen, die „Zusammenhalt“ beschwören, während alle hoffen, dass endlich das Feuerwerk beginnt. Auf dem Land hingegen wird der Tag noch etwas uriger begangen: Da wird der Grill angeworfen, die Lichterkette mit Kuhglockenmotiv entstaubt, und irgendwann kommt der Moment, an dem Onkel Ruedi in Flipflops mit einem Böller das Nachbardach abfackelt.

Und wehe, jemand erwähnt an diesem Tag die EU. Oder das Gendersternchen. Oder dass die Schweiz erst 1971 das Frauenstimmrecht eingeführt hat. Das dämpft nur die Stimmung – selbst bei einer sonst so gut durchgebratenen Cervelat.

Politische Reden – zwischen Höhenflug und Höhenfeuer

Die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident hält eine Rede. Irgendwo. Manchmal auf dem Rütli, manchmal in einer Tiefgarage im Tessin – man weiß es nicht so genau. Die Rede ist traditionsgemäß in drei Sprachen (manchmal vier, wenn gerade ein rätoromanischer Praktikant mitreden darf) und enthält wichtige Begriffe wie „Freiheit“, „Vielfalt“, „Innovation“ und – obligatorisch – „Landwirtschaft“.

Danach wendet man sich wieder den wirklich wichtigen Dingen zu: Der Rakete mit Glitzer-Effekt, die man im Coop für 12.90 CHF erworben hat und die garantiert auf Nachbars Katze zielt.

Und die Kinder?

Kinder erleben den 1. August als Mischung aus Reizüberflutung und Zuckerschock. Sie kriegen Lampions in Nationalfarben, die entweder schon vor dem Anzünden abbrennen oder von der kleinen Cousine als Hut zweckentfremdet werden. Danach dürfen sie mit Knallfröschen so lange Lärm machen, bis Opa sich freiwillig ins Gästezimmer verbannt.

Fazit: Ein bisschen Mythos, viel Grill, etwas Pathos

Der 1. August ist die Schweizer Version von „Make Switzerland Great Again“, nur mit weniger Populismus und mehr Kartoffelsalat. Er ist ein Tag, an dem die Schweiz sich selbst feiert – ihre Geschichte, ihre Unabhängigkeit, ihre Eigenheiten. Und natürlich ihre Fähigkeit, pünktlich zum 22:00 Uhr Feuerwerk den halben Kanton in Rauch zu hüllen.

Es ist ein Tag zwischen Patriotismus und Picknick, zwischen Alphorn und LED-Wunderkerze. Zwischen Rütlischwur und Grillspiess. Und wer weiß – vielleicht wurde der Bundesbrief ja wirklich am 1. August unterzeichnet. Oder am 2. August. Oder irgendwann im Herbst, nachdem alle vom Almabtrieb zurück waren.

Aber das ist ja auch egal. Hauptsache, es gibt Wurst.


(Bild: AI/KI by Randulin)

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